Zhang Yeyun - Flächen. Formen. Farben. Weltliches im Gedanken-Fluß
Zhang Yeyuns Malerei ist der lyrischen Abstraktion verpflichtet, steht also für ein Kunstverständnis, das dem einst in der VR China verordneten sozialistischem Realismus diametral entgegensteht. Noch bis in die späten 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte sich die chinesische Malerei zwangsweise von den Strömungen der westlichen Moderne entkoppelt, nur um dann in den folgenden Jahrzehnten die künstlerischen Positionierungen des letzten Jahrhunderts um so heftiger zu absorbieren. Die abstrakte Malerei indes kann auch in China an eigene kunsthistorische Perspektiven zurückkoppeln, zum einen, weil vor der erzwungenen Seklusion unter dem Diktat der KP China, die radikalen Brüche in der europäischen Malerei mit ihrer eigenen Vergangenheit in den 20er und 30er Jahren des 20. Jh. direkt wie über Japan vermittelt Eingang in die städtischen Zentren Chinas gefunden hatten, und zum anderen, weil es gerade die Fixpunkte der ostasiatischen Philosophien und Religion sind, namentlich hier des Zen-Buddhismus und Taoismus, die einen Widerhall in Auffassung und Selbstverständnis der lyrischen Abstraktion finden.
Der Maler und Kalligraph Zhang Yeyuns greift daher auf die Errungenschaften der westlichen Moderne der Vorkriegszeit zurück, die ihrerseits den Weg der Abstraktion - in geometrischer wie in lyrischer Form - erst in Ansätzen genommen hatte, steht aber zugleich im Echoraum der chinesischen Lebensanschauung sowie der Kunst der Kalligraphie, die in Abgrenzung zur traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei den Freiraum für eine abstrakte und individuell abweichende Zeichenwelt eröffnete. Auch darin begründet sich der starke Impuls, der von der Kunst der chinesischen Kalligraphie für die sogenannte informelle Malerei ("Informel") der 50er und 60er Jahre in Europa ausging, die sich in ihrer Abgrenzung zur geometrischen Abstraktion explizit auf die ästhetische Erfahrungswelt der chinesischen Philosophie und Kalligraphie berief.Als Folge der Verwerfung orthogonaler Ordnungsprinzipien und der Betonung assoziativer, fließender Bilderwelten sowie der Verwendung schneller, in Teilen erratischer Schrift-Zeichen-Abfolgen schließt Zhang den Kreis zu einer Gedankenwelt, die eine statische, zentrierte und kausal-mechanistische An-Sicht verneint und an Stelle ihrer die Bewegung, das Veränderliche, die Intuition und das Energetische betont.
Wir sehen neben- und hintereinander gestaffelte Farbräume von schroff-poröser Oberfläche, die mit einer dynamisch-zugespitzten Kolorierung eine sie umgebende Leere zu durchziehen scheinen.
In Ohne Titel I legen breitflächig und mehrschichtig aufgetragen "Felsformationen", die zwischen Grau und Schwarz oszillieren, den Blick auf kalligraphische Texttafeln frei. Motivisches Zentrum und eine eingeforderte Blickführung des Betrachters bleiben willentlich im Unbestimmten.
In Anprallen wie in Landschaft I scheinen energetisch aufgeladene Abrißbirnen zur Entladung zu kommen und doch muß offen bleiben, ob wir Zeuge von Ent-grenzung oder Anschluß werden.
Sturzbachartige Bewegungen, zuweilen betont durch kontrastreiche Farbgestaltung in Kobaltblau und Ocker dominieren in Abstraktion und Schrift II. Zur Bildmitte strömendes diffundiert sofort wieder zu den Bildrändern, während sich wie im Hintergrund ein vertikal gefasster Quader der einwirkenden Kräfte erfolgreich zu erwehren scheint.
Zhang Yeyun trägt Öl und Acryl auf, führt Pinsel, Spachtel und alles was zum Auftrag taugt. Gedruckte Texttafeln, wie auch gekratzte, geritzte und geschabte Linien durchziehen Farbformationen auf klein- wie großformatigen Bildern. Er übersetzt weltliche Wirklichkeitsauffassungen in meditativ-assoziative Bewusstseins-Flüsse - das bedeutet nicht, Erklärungen zu verwerfen, sondern steht nur für eine andere Weise des Aufzeigens.