Meng-Hsuan Chin
Fenster, Tür, Treppe - Räume lassen tief blicken
Blicke von Außen nach Innen und wieder von Innen nach Außen - der Betrachter schaut auf menschenleere Räume und sucht Halt, ehe Fenster oder geöffnete Türrahmen eine Blickverlängerung anbieten, die sich als Täuschung erweist. Mal ist es ein Vorhang, mal lediglich die Ahnung von Außenlicht, die den Betrachter schließlich ins Rauminnere zurückholen, wo zumeist nur Ausschnitte preisgegeben werden. Menschenleer bedeutet nicht unbewohnt, und so erkennt man im schemenhaft Gehaltenen die Spuren alltäglicher Existenz. Vielleicht ist jemand gerade den Flur entlangegangen oder ein Nachbar hat die sparsam kolorierten Blumen auf der Fensterbank gegossen. Eingefrorene Momente der Zwischenzeit, in der das Alte aufgehört, das Neue noch nicht begonnen hat.
Nur auf den ersten Blick verweigert das Interieur Auskunft über die Bewohner. Dann treten hier und da die Eigenheiten stärker in den Vordergrund: aufgeräumt, an die Seite gestellt, einsortiert. Mehrfach wird der Bilderrahmen im Bild vervielfacht: Tür, Durchgang, Fenster-ausschnitt, Treppenabsatz. Vertikale und horizontale Linien strukturieren wie sich kreuzende Klingen die Räume, beengen und grenzen ein. Es sind keine einladenden Räume, sondern dem Alltag verpflcihtete, nüchterne Gegebenheiten, in die wir wie unerwartete Gäste hineinplatzen.
Dann, wie zur Beruhigung, taucht sie auf - eingefaßt von Fensterrahmen - die kaum erkennbare Silhouette einer junger Frau, den Kopf nach vorn gebeugt, das lange Haar vor das Gesicht fallend. Grün dominiert und läßt sie eins mit der Umgebung werdn, während von draußen ein lebhaftes Organge hereinfällt.
Chin Meng-Hsuan verwandet eine breite Farbpalette, zieht aber zuweilen die kalten, beengenden Farbtöne vor. Violett, Braun, Blau, Gelb, gemischt und abgestuft, flächig aufgetragen, Im Halbdunkel gewinnt Gegenständliches erst langsam an Kontur, nur um darin wieder unerkannt einzutauchen, sobald der Blick an Festigkeit nachläßt. Die gewählten Formate unerstreichen den Bildausschnitt, während die Staffelung in die Tiefe eine erste Blickführung vorgibt. Dort wartet niemand.