Jae-Eun Jung












Leerstellen des Alltags

Es mag hilfreich sein, sich zunächst dessen zu Vergewissern, was das Auge sieht, aber Jae-Eun Jungs

Werk ist stets auch Verweis auf das nicht (mehr) Sichtbare. Wir schauen auf nicht näher definierte Innen- oder Aussenräume, karg und schlicht, die nicht veheissen, was noch hinzutreten mag, sondern das bereits Geschehene als Nachhall noch mit sich tragen. Eine sich als Stilleben anbietende figurative Malerei, die paradoxerweise ganz ohne Figuren auskommt, zentriert auf die Leerstellen des Alltags, in denen das Ritualisierte und Gleichförmige des Lebens sich zur allgemeingültigen Chiffre der Existenz verdichtet.

Sonnenlicht und Sessel. Ein von Außen, nahe der Fußleiste, an die Zimmerwand, angebrachte 2-fach Steckdose begrenzt das Bild zur rechten Seite hin. Nichts, was hier Strom benötigen würde. In der Bildmitte ein Polstersessel, die Sitzfläche direkt zur linken Bildseite hin positioniert, geschwungene, hölzerne Armlehnen, brüchiges Flechtwerk. Ein offenbar lichtdurchfluteter Raum, Sonnenstrahlen fallen herein, vielleicht durch ein Fenster in der Blickverlängerung des Sessels, vielleicht auch durch den Zugang zu einem Balkon. Der Sessel, von den Zimmerwänden streng eingefaßt wie der Stein im Trauring, verspricht den immer selben Blick auf die Welt draußen. Cut.

Balkon. In der Bildmitte des Hochformats ein Balkonvorsprung, in der Fläche nicht größer als die eng ausgestanzten Türen ins Rauminnere. Ein einfaches, metallenes Geländer sorgt für Halt. Die schmuck- lose, helle Hausfassade kontrastiert einzig mit der blumig-farbigen Sitzauflage auf einem der beiden Plastikstühle auf dem Balkon. Cut.

Sitzschalen. Blick frontal auf drei Sitzschalen, nebeneinander befestigt auf einem Metallrohr, das beidseitig von einem T-förmigen Standrohr getragen wird. Kein Hinweis auf das Wo, farblich beinahe unmerklich aus dem blassen Hintergrund herausgelöst. Warten bis man aufgerufen und vorgelassen wird. Cut.

Partytisch. Große Runde um den rechteckigen Eßtisch, alle Gäste fort, nur die Teller, Essensreste und ungeordneten Stühle erinnern an den plötzlichen Aufbruch. Niemand zu sehen und doch ist man versucht, den letzten Gästen noch hinterherschauen zu wollen. Cut.

Abendessen. Im Querformat zwei quadratische Cafe-Tische in geringem Abstand nebeneinander stehend, Stühle im Kreis um sie herum gruppiert. Wasserglas und eine dazugehörige Flasche, leerer Teller - der eine Tisch - Suppenschüssel, Löffel, ein Gefäß - der andere Tisch. Flächig mit Ölfarbe aufgebrachte Gelb- und Grautöne, gerade soviel Kontur, daß die Szenerie nicht im Nichts des gänzlich unbestimmten Hintergrunds verschwindet.

Jae-Eun Jungs spärlich und zart kolorierten Bilder künden offensichtlich nicht von den Verheißungen des Lebens in der Jetztzeit, aber sie sind auch keine melancholisch getränkten Kommentare zum Gleichlauf der menschlichen Existenz. Licht und Wasser, Essen und Schlaf - diese elementaren Vorauss- etzungen für ein Leben im Gleichgewicht - rückversichern den Betrachter vielmehr in der Aussicht auf die immer wiederkehrenden Oasen inmitten der Dörre.

 
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